Werbefrei und Spaß dabei

Ein paar Einblicke in meine Sicht auf das, was heute unter Werbung verstanden wird:

»Es handelt sich um eine stillschweigende Übereinkunft, dass wir unser Versprechen, Gold gegen einen Dollar einzutauschen, halten werden, solange wir nicht in Wirklichkeit dazu aufgefordert werden, es einzulösen.« Mavolio Beuge (Terry Pratchett, Schöne Scheine)

Die wohl peinlichste Entwicklung auf dem Markt der Eitelkeiten, sprich: DIE WERBEINDUSTRIE, sind die zunehmenden Versuche diverser Unternehmen, Kunden zu zwingen, für die Unterlassung derselben Werbung zu bezahlen, mit der dieselben Kunden von denselben Unternehmen jeden Tag zugemüllt werden. Das ist in etwa so, als würde eine Gruppe dubioser Gestalten vor Deiner Tür auftauchen und Geld fordern für das windige Versprechen, nie wieder zu klingeln. Oder zumindest nicht am Sonntag, gut: zumindest nicht morgens um sieben Uhr.

Schon das Wort Werbung löst bei den meisten Adressaten derselben ausgerechnet die eine Emotion aus, deren Gegenteil Werbung doch gerade zu erreichen verspricht: Widerwillen bis hin zum Ekel.

Warum? Das ist eigentlich ziemlich einfach zu verstehen: Kein vernünftiger Mensch will von angeblichen Verkäufern scheinbar unentbehrlicher Dinge unter Anwendung von Lügen, dummen Metaffern und sinnlosen Plattitüden genötigt werden, Produkte zu kaufen, die kein Mensch braucht und deren Herstellung und Lieferung ein ziemlich großes Stück von unserem Kuchen Erde frisst.

Wir wähnen uns gern als Zivilisation. Entfernen wir jedoch den Faktor Konsum aus dieser Rechnung, welcher uns suggeriert, unsere Welt sei eine heile, bleiben als Ergebnis kranke Menschen in einer kranken Umwelt mit großer Angst vor einer Zukunft, für die man nichts getan hat.

Kein vernünftiger Mensch will sich nach Ablauf der Widerspruchsfrist darüber ärgern, sein sauer verdientes Geld gar nicht für ein Produkt, sondern für die Erkenntnis der eigenen Einfalt ausgegeben zu haben. Kein vernünftiger Mensch möchte als Ware behandelt werden. So, wie man nicht an den Briefträger glauben muss, weil dieser offenkundig (noch) existent ist, muss man Unentbehrliches nicht unter Androhung der Nötigung anpreisen.

Wäre der blasse Schein der Werbung wenigstens schön im Sinne von angenehm, dann könnte man sich als Adressat zumindest noch einreden, Werbung hätte auch nur diesen einen Sinn. Aber nein, es muss immer noch schriller, lauter und dümmer werden als die anderen Mitbewerber an einem Markt, der an Eitelkeit kaum zu überbieten ist, während zu potentiellen Kunden degradierte Menschen verzweifelt versuchen, den leeren Versprechen der Werbeindustrie und dem Status als Zwangskonsument aus dem Irrweg zu gehen. Sich dabei krampfhaft die Taschen zuhaltend im Glauben, darin befände sich am Monatsende noch etwas Geld für wirklich Wichtiges.

Der Glaube von Unternehmen an die beliebte Lüge: »Du brauchst Werbung!« lässt schon den Zweifel an der Zuverlässigkeit der eigenen Produkte erkennen. Keiner braucht Werbung. Wirklich keiner. Wir brauchen gute und nachhaltige Produkte in allen Bereichen des Lebens und Informationen, welche Bedürfnisse diese Produkte wirklich erfüllen können, sowie Menschen, die bereit sind, diese Produkte zu kaufen. Und ja, die Informationen über solche Produkte sollen durchaus in die Öffentlichkeit. Aber diese Informationen sind keine Werbung, sondern eben … Informationen.

Wer möchte, dass Menschen Geld ausgeben, um den Lebensunterhalt der Mitarbeiter eines Unternehmens – sowie den einen oder anderen Urlaub – zu finanzieren, muss eines sein: nett … und ehrlich. Ganz einfach nett und ehrlich. Anstatt nun aber den Colt bei Verkaufsverhandlungen aus der Hand zu legen, um Vertrauen zu gewinnen, hat es eher den Anschein, als würde die Einsicht, dass ein Colt fehl am Platze ist, zum Auspacken der richtig großen Geschütze animieren. Was ist das denn für ein Bild von Menschen, die man angeblich als Kunde gewinnen möchte?

Was nützt es einem Kleinunternehmer, den Eindruck zu erwecken, er sei der Größte Fisch im Schwarm, wenn nur ein Anruf genügt, um festzustellen, dass sich das suggerierte Meer des Versprechens auf fette Beute in einen ziemlich ausgetrockneten Tümpel mit einem kleinen zappelnden Fisch an dessen schlammigen Grunde verwandelt im Laufe der Erkenntnis? Der oft einzige Erfolg teurer Werbung besteht in einer ausgeprägten Lächerlichkeit, in der der Auftraggeber dieser Werbung zu ertrinken droht.

Der Vergleich des Wortes Werbung mit dem inhaltlich ähnlichen Begriff Bewerbung dürfte vielen klar machen, dass sie sich und ihre Produkte nicht wirklich bei den Menschen bewerben, sondern eher den Eindruck erwecken, einer der berüchtigten Schulhofschläger zu sein, die umso härter zuschlagen, je mehr Widerstand ihnen entgegengebracht wird. Alle haben Angst vor ihnen, kaum einer will etwas mit ihnen zu tun haben, aber kaum jemand traut sich, seine Lügen nicht zu kaufen.

Die meisten Kleinunternehmer hängen dem Irrglauben an, die Omnipräsenz der wirklich großen Globalplayer hätte etwas oder gar alles mit Werbung zu tun. Weit gefehlt. Globalplayer zeigen mit dem, was sie Werbung nennen, dass sie so viele Menschen um ihr Geld betrügen können, dass den meisten Menschen gar nichts anderes übrig zu bleiben scheint, als deren Schrott weiter zu finanzieren. Ist es nicht bizarr, dass der größte Teil des Geldes der Leute von diesen Firmen ausgegeben wird, um den Eindruck der Omnipotenz aufrecht zu erhalten, so dass jeder gern dem Eindruck verfällt, es bliebe ihm gar nichts anderes übrig, als sein Geld dort zu lassen, statt bei dem Kleinunternehmer um die Ecke?

Und was macht der Kleinunternehmer um die Ecke darauf hin? Er versucht verzweifelt den Eindruck eines wirklich Großen Fisches zu hinterlassen und nennt dies Teilnahme am globalen Wettbewerb, auch wenn er nur der Bäcker umme Ecke ist. Das Ergebnis kennen wir: eine ziemlich große Menge an Kleinunternehmern, die neben der Finanzierung der behördlich angeordneten Administration auch noch Geld auftreiben müssen für Worthülsen und Schaumschlägereien, während sie sich darüber wundern, das ihre Produkte selten das dazu benötigte Kleingeld erwirtschaften, obwohl sie doch jeden Tag selbst feststellen, dass sie im Google-Ranking ziemlich weit oben stehen … und ihnen dieses meist gar nichts nützt.

Ein Unternehmer, der mit Innovation & Effizienz, mit Emotion & Nachhaltigkeit oder mit Kreativität & grenzenloser Freiheit werben muss, glaubt zwar den ihm selbst verkauften Werbeslogans, stellt jedoch erstaunlich selten fest, dass man mit Selbstverständlichkeiten nicht werben muss, … eben weil sie selbstverständlich sind. Ein Bäcker, der glaubt, damit prahlen zu müssen, gut backen zu können, ist peinlich und sollte sich seine Berufsbezeichnung und Ausbildung in Erinnerung rufen. Dass ein Bäcker bäckt, versteht sich von selbst, und dass die Produkte auch gut im Sinne von nicht schlecht sein sollen, ist eine Binsenweisheit. Und selbst wenn er super leckere Brötchen bäckt, ist das kein Grund für die Lüge, nur er könne das so gut. Anstatt nun viel Geld für luftig leere Versprechen auszugeben, in der vagen Hoffnung, die Kunden gäben es ihm schon mit Zins und Zinseszins zurück, könnte er sich und seinen Kunden dieses sparen und die Preise um selbiges reduzieren … und trotzdem kleine, aber leckere Brötchen backen … ohne luftige Leere, aber vielleicht mit einer vollen Ladentheke.

In diesem Sinne sei der sogenannten mittelständischen Wirtschaft empfohlen, kleinere Brötchen bei der Werbung zu backen und ihren Kunden oder denen, die es werden sollen, die eine oder andere Zumutung und sich selbst immense Kosten zu ersparen und lieber darüber nachzudenken, wie man Kunden und solchen, die es werden können, die eine oder andere kleine Freude abseits von Effekthascherei machen kann. Vielleicht reden die Leute dann wirklich gern über solche Unternehmen, ohne dass diese Angst haben müssen, falsch verstanden zu werden, um als einzige Antwort sich eine noch scheinbar subtilere Verkaufsmasche verkaufen zu lassen in der Hoffnung, weiterhin genügend dumme Menschen zu finden, die sich ausgerechnet von ihnen übers Ohr hauen lassen. Ganz so, als gäbe es ansonsten keine lüsternen Wegelagerer in den düsteren Gefilden der Shoppingmalls und Konsumtempel.

Wie wäre es denn zur Abwechslung mit dem Slogan: »WIR MACHEN KEINE WERBUNG. WIR MACHEN LIEBER GUT.«?

In diesem Sinne: Lasst euch nicht jeden Quatsch andrehen, nur weil er mit einem Haufen Zuckerstreusel daherkommt. Denkt daran: Mehrheit schafft Übergewicht!